über die werke von Ruth Senn

 

Textauszug der Ansprache von Regina Lange zur Eröffnung der Ausstellung „Hey Heussler and friends“, Atelier Willi Christen, Zürich 2010

 

 

Seit Jahren reduziert Ruth Senn in ihrer Malerei die Farbe und verstärkt sie zugleich. Fortschreitend nimmt die Menge des pro Malschicht aufgetragenen Pigments ab. Dafür legt Ruth Senn zahlreiche der zunächst kaum wahrnehmbaren Malschichten übereinander, woraus sich eine Intensivierung des Farberlebens ergibt. Die Empfindlichkeit des Auges fuer die  Licht- und Farbdifferenzen wird gesteigert. Aus der Minimalisierung erwächst paradoxerweise ein maximaler Eindruck davon, in welch subtilen Verhältnissen Licht und Farbe zu einander stehen.

 

In ihren spielerischer angelegten Acrylglas-Arbeiten neueren Datums folgt Ruth Senn derselben Systematik: Reduktion zwecks Steigerung der Erfahrung.

 

Sie setzt bei diesen Objekten auf eine besondere Eigenschaft des an den Kanten geschliffenen Acrylglases: Ähnlich einem Prisma bündeln diese Kanten das Licht und mit ihm die Farbwirkung der hauchdünn auf die senkrecht stehenden Flächen aufgetragenen Tusche-Pigmente. In der Ansicht von vorn bzw. der Durchsicht hingegen lösen sich diese Farbschichten im Licht entweder fast vollständig auf oder versperren den Durchblick als scheinbar farblose milchige Schicht.

 

Lichtfarbe und Körperfarbe, Transluzides und Opakes, Hochwertiges (Acrylglas) und Simples (Styropor) sind die Gegensatzpaare, auf deren Differenz und Spannung Ruth Senn mittels konsequenter Anordnung überraschende, ebenso ätherisch-zarte wie streng gegliederte Objekte aufbaut.

 

Von besonderer Bedeutung ist die Dreidimensionalität: Nicht nur bewegt sich (im besten Falle) der Betrachter um die Objekte herum, um ihre Wirkung allseits zu prüfen; die Objekte funktionieren auch auf Grund der Tatsache, lichtdurchlässige, beinahe vollkommen durchsichtige Gegenstände zu sein. Sie stehen im Raum und damit im Wege des Lichtstrahls, der beim Durchmessen des Raumes nicht nur auf sie auftrifft wie im üblichen Falle des "Gegen-Standes". Die Aufmerksamkeit wird ebenso auf den Durchgang des Lichtes gelenkt, welcher durch Art und Anzahl der (Acrylglas-) Schichten geführt und verändert wird. Die Gestalt der Objekte moduliert das auftreffende Licht, welches seinerseits erst Sinn und Wirkung erfahrbar werden lässt.

 

Reduktion und Systematik sind Ruth Senns Mittel, grundlegende, aber subtile Phänomene der Optik auf beinahe zauberische Weise sichtbar zu machen. Um derartige Aspekte ist es, meines Wissens, keinem der Zürcher Konkreten gegangen. Ein grundsätzliches, wenn auch anders umgesetztes Interesse an Farbe und Bewegung liesse sich allenfalls in Werken der beiden Lateinamerikaner Jesus Raphael Soto und Carlos Cruz Diez erkennen.

 

Regina Lange